Gedanken eines Trainers

Hunde bringen uns schnell mit dem Gesetz in Verbindung

Polizei - Mit Hunden leben
geschrieben von Carsten Wagner

Menschen! Sie sind in ihrer Art und Weise so überraschend, dass sie einem alles an Selbstbeherrschung abverlangen, die man imstande ist, aufzubringen.

Pfingstmontag, ein Tag mit feierlicher Grundstimmung. Das Wetter ist durchwachsen, kühl, bedeckt und doch sehr freundlich. Wir treffen uns zu einem Spaziergang. Die Motivation ist ähnlich gelagert wie das Wetter. Der Park wird gut besucht und auch wir ziehen mit insgesamt 7 Hunden entspannt durch die Anlage, die sehr viel an Schönheit und Abwechslung für Mensch und Hund zu bieten hat. Ehemals für die Bundesgartenschau hergerichtet, überzeugt dieser Garten mit einer Vielfalt an Pflanzen und Eindrücken.

Die gewohnte Runde ist beendet. Der Kopf ist frei, die Glieder wurden bewegt und die Anstrengung verlangt nach Wasser. Am Ausgangspunkt angekommen, verstauen wir Rocko, Emma und klein Lui im Auto. Alle werden versorgt. Dicht am Auto stehen Jasper und Betty, denen eine Schüssel mit Wasser auf den Boden gestellt wird, um ihren Durst stillen zu können. Die Leinen werden während des Trinkens aus der Hand gelegt und keiner macht sich Gedanken, da die Hunde sehr ruhig an der Tränke stehen und sich um nichts und niemanden kümmern.

In 20 Meter Entfernung nehmen wir eine Familie wahr, die sich seit gefühlten 10 Minuten nicht bewegt. Es fällt uns nur deshalb auf, weil sie den schmalen Weg verstopft, der zwischen Parkplatz und einer Hecke verläuft. In dem Bereich unseres Autos öffnet sich der Weg trichterförmig und mündet in eine große Fläche. Definitiv genügend Raum, um unbelästigt an uns vorbeizulaufen. Wir unterhalten uns weiter! Nach weiteren gefühlten 5 Minuten sagte die Frau und Mutter der verharrenden Familie mit freundlicher Stimme, ob wir denn bitte die Hunde an die Leine nehmen könnten.

Solch einer Bitte folgt jeder verantwortungsbewusste Hundehalter. Jedoch zögerte ich etwas und wollte gerade fragen, was sie genau sagte? Ich hatte sie schlecht verstanden. Bevor wir unsere Selbstverständlichkeit zum Ausdruck bringen konnten, nimmt der Mann sein Telefon in die Hand und droht, in einem sehr unfreundlichem, fordernden Ton, dass er auf der Stelle die Polizei rufe, wenn wir nicht sofort der Bitte seiner Frau Folge leisten. Es gibt Tage, an denen mein Gemüt nicht sonderlich strapazierfähig ist: Das war so einer!

Menschen, die wegen jeder Kleinigkeit ihre Gesetzestreue zum Ausdruck bringen, indem sie demonstrativ ihre Überlegenheit und Rechtschaffenheit mit ihrer Unfehlbarkeit mahnend vorleben, wecken in mir Widerstand, der deutlich spürbar ist. Ein absolut nichtssagender Typ, im Großstadt-Wanderlook gekleidet, greift zum Hörer, um seiner Familie den guten Draht zur Polizei zu präsentieren, um gleichsam das Bild des alles regelnden Vaters nach außen zu tragen, findet durchaus Bewunderung beim Anhang. Ich bewunderte nur sein einfach gehaltenes Bild seiner Weltsicht.

Der Ton und seine Drohung hatten mich dazu veranlasst, ihm kurz, knackig und prägnant mitzuteilen, dass er sich verziehen soll und anrufen kann, wen er will. Schwuppdiwupp wählte er auch schon die Nummer der Polizei. Vermutlich über Kurzwahl, denn sein Gespräch begann umgehend. Er schien seine Gesetzestreue schon oft unter Beweis gestellt zu haben, denn seine Handlung war ohne Zögern, was eine gewisse Gewohnheit erkennen lässt. Die Masche wirkte ausgereift und wird ihre Wirkung bei braven Schuljungen sicherlich nicht verfehlt haben. Er schien tatsächlich auf ein gewohntes Bild zu warten, welches seine Rechtschaffenheit und Gesetzestreue erneut untermauern sollte: Der Schuldige bringe ihm die Reue entgegen! Ich hätte ihm gerne etwas anderes entgegen gebracht, doch meine bessere Hälfte mahnte mich, mit meiner Großzügigkeit hinterm Berg zu halten.

Überheblich im Ausdruck, zeigte er demonstrativ, dass er ein Mann für heikle Situationen ist. Mit dem Telefon am Ohr, lief er über den Parkplatz, im gesunden Abstand zu uns, um der Dienstelle alle wichtigen Fakten zu übermitteln, die sie für die Verbrechensbekämpfung benötigen. Dabei signalisierte er der Polizeigewalt am Telefon, dass er die Lage im Griff hat und Deeskalationsmanagement betreibt, bis der Polizeipräsident angerollt ist. Aus familiärer Quelle weiß ich, dass es für die Polizei eine ganz besondere Freude ist, Menschen, mit einem überdurchschnittlichen, ausgeprägten Gerechtigkeitssinn zu treffen, um ihr Anliegen mit höchster Priorität behandeln zu dürfen.

Nachdem das Auge der Gerechtigkeit der Polizeizentrale, in ruhiger, erhabener Haltung, detailgetreu die Einzelheiten schilderte, empfand ich mein Gemüt selber als sehr erhitzt. Er gab der Wache Meldung: „Hier lässt einer seine Kampfhunde frei herum laufen und nun pöbelt er auch noch; ich gebe Ihnen gleich mal das Nummernschild durch!”

Ich bin Mensch, Entdecker der eigenen Emotionen

Als der Manager für besondere Situationen sein abgeschlossenes Deeskalationsseminar präsentierte, war ich tatsächlich überrascht, was in mir vorging. Beruhigend, aber sehr bestimmend, unterstrich seine weiche Handbewegung die Vorgabe, wie ich mich jetzt zu verhalten habe. Er sagte: „ Bleiben Sie hier, die Polizei kommt gleich“. Was für ein Idiot! Ich hatte mich gefragt, wie so ein Mensch, offensichtlich schmerzfrei, durch das Leben gekommen ist. Leben und Schmerzen sind untrennbar! Ein Mensch, der seine inneren Kämpfe des Lebens ausgefochten hat, trägt Zeichen. Bei ihm erkannte ich nur eine markante Naivität.

Die Familie versteckte sich nach dem Telefonat mit der Wache hinter einem VW-Bus, um das Deeskalationsprogramm des Vaters nach systematischen Punkten abzuarbeiten. Provoziere nicht durch Sichtkontakt, doch verliere dabei das Subjekt nicht aus den Augen, bis das Einsatzkommando eintrifft. Wie kleine Lemminge schaute die Familie zwischen den Autos hervor, um die Entwicklung der Situation zu verfolgen.

Ich entschied mich zu fahren, denn ich hatte weder Lust noch das Verlangen, Anweisungen von einem Spinner Folge zu leisten, wie es noch Schuljungen machen, die bei dem Wort Polizei in eine Starre fallen. Meine Freundin bat mich zu bleiben, um die Sache zu klären. Widerwillig stimmte ich dem zu und wir entschlossen, das Warten mit Kaffee und Kuchen zu erquicken. Auf zum naheliegenden Café! In Begleitung lief ich an der Familie auf 3 Meter Entfernung vorbei, da mich mein besserer Part darum gebeten hatte, das Deeskalationsprogramm des pflichtbewussten Bürgers nicht ins Wanken zu bringen. Ich tat ihr den Gefallen.

Sobald ich außer Sicht war, machte sich die Familie überraschend auf den Weg. Sie entschieden sich, an ihrem Auto auf den Staatsarm zu warten. Dabei lief die Vorzeigefamilie provokativ an meiner besseren Hälfte vorbei, die am Auto wartete. Jasper ruhte neben ihr. Mit der Äußerung: „Der Kampfhund ist jetzt angeleitet“ war der Sieg im Vorbeilaufen mitgeteilt.

So wurde die Liste der „gefährlichen Hunde“ mit einer weiteren Rasse aufgestockt. Einen Labrador-Appenzeller-Mix, der ruhend am Auto lag, fachmännisch auf die Rassenliste zu packen, zeigte das Schubladendenken dieser Wanderjacken. Es ist schon alarmierend, was die Medien, gestützt von Politik, in des Menschen Köpfe gebrannt haben. Solche Menschen richten nicht nur wegen ihres Charakters Schaden an, sondern auch wegen ihrer Unwissenheit. Diesen Schlag von Menschen kennen wir alle. Es sind jene, die den Nachbarn in der Reihenhaussiedlung pflichtbewusst darauf aufmerksam machen, dass sein Rasen nicht mehr auf Schnittkante getrimmt ist.

Meine Begleitung und ich kehrten vom Café zurück.
Das Café konnte uns leider kein Kaffeegedeck für die gemütliche Runde außer Haus geben und so sagte ich, dass wir jetzt einpacken. Ich sagte zu meiner Herzensdame, dass der Freund und Helfer mich wegen meiner Verhaftung anrufen kann. Ich hau jetzt ab! Meine Freundin wollte sicherstellen, dass die uniformierte Einsatztruppe den Weg nicht umsonst aufnahm. Sie rief die Zentrale an. Schnell war geklärt, dass der Streife ein unnötiger Weg erspart bleiben kann. Die folgende Handlungskette bestand aus drei Schritten: Verabschiedung, ab ins Auto, ab nach Haus!

Die rechte Hand des Gesetzes bemerkte unseren Fluchtversuch und lief auf die Straße. Er gab uns mit der erlernten Handbewegung aus dem Deeskalationprogramn erneut zu verstehen, seiner Forderung Folge zu leisten, um die bevorstehende Haftstrafe, in Reue, anzutreten.

Mein Drang das Fenster zu öffnen war groß. Meine Freundin entschied für mich, das Fenster oben zu lassen und sich von Sherlock Holmes mit einem Winken, wie es die Queen bei einer Staatsfeier einstudiert dem Volke entgegenbringt, zu verabschieden. Wir fuhren vorbei und fragten uns, wie die Entwicklung einer Gesellschaft, mit solchen Charakterbremsen, in die nächste Evolutionsstufe kommt. Ich sehe schwarz.

Das Leben mit dem Hund hält immer Überraschungen parat. Sind es nicht unsere Vierbeiner, die uns zum Lachen, zur Weißglut oder auch zur Verzweiflung bringen, dann ist es der Mensch, der das Leben mit Würze füllt. Diese kleine Geschichte ist eine von vielen, die sicherlich jeder Hundehalter zu berichten hat. Wer einen Hund hat, hat eben immer was zu erzählen.

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Carsten Wagner

Kommentar

  • Gratuliere zu deiner Selbstbeherschung.
    Ich hätte allerdings auf die Polizei gewartet, allerdings haben wir Berliner (bis jetzt) noch keine generelle Leinenpflicht und American Bulldogs stehen/standen bei uns nie auf der Liste. So gesehen hätte die Staatsmacht auch nichts Nachteiliges verordnen können…nicht einmal die allseits beliebte Rassefeststellung, da waren wir schon.

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