Ich kannte ein altes Ehepaar, Franz und Walli. Beide waren weit über 80 Jahre. Obgleich sie unsere Nachbarn waren, behandelten sie uns wie ihre eigenen Kinder! Wir schauten „regelmäßig“ nach ihrem Befinden. Es endete immer in lange Gespräche. Besser gesagt in Geschichten! Alte Geschichten von alten Menschen sind etwas Besonderes! Sie beschreiben immer ein gelebtes Leben.
Franz pflegte beim Geschichtenerzählen alte Gewohnheiten. Tee im Rum. In der Regel vertauscht man dieses Verhältnis, aber Franz sah das enge Korsett menschlicher Gepflogenheiten mit 86 Jahren schon lange als überflüssig an! Ich sehe Franz noch heute in seinem Geschichten-Sessel sitzen, denn gut zu Fuß war er schon lange nicht mehr.
Urlaube sind nur noch Erinnerungen, von denen wir im Alter leben!
Mit Wehmut erzählten beide von ihren Reisen. Sie kannten jedes ihrer Segelschiffe genau und noch viel besser die Meere, auf denen beide gefahren sind. In den Erinnerungen vertieft, leuchteten ihre Augen, wie die Leuchttürme auf den Klippen, an denen sie vorbeigesegelt sind.
Alte Leute haben selten viel Sinn für digitalisierte Fotohaufen im Smartphone und daher hingen nur 3 kleine umrahmte Bilder an der Wand, neben dem kalten Kamin.
3 kleine Bilder reichten den beiden, um sich für Augenblicke wie einst auf ihrem Boot zu befinden! Sie erzählten von stürmischen Fahrten, heiklen Manövern, romantischem Ankern vor den Küsten der Inseln. Je mehr sie davon erzählten, umso tiefer reisten sie in die Zeit ihrer Jugend zurück.
Das liebe ich an alte Menschen und ihren Geschichten! Sie lassen dich immer ein Teil ihres Lebens sein, wenn du dir Zeit nimmst und zuhörst. Sei dir also stets bewusst, dass du als Zuhörer ein Schlüssel für das Tor zu den Erinnerungen anderer Menschen bist. Manche Erinnerungen finden den Weg an die Oberfläche nur durch das aktive Gespräch.
Eine Erinnerung ist die Realität von gerade eben!
Erinnerungen sind dekodierte synaptische Veränderungen. Jedes Schmecken, Riechen, Hören, Fühlen ist zeitlos an unsere erlebten Empfindungen gekoppelt. Wir erleben zeitlos immer und immer wieder detailliert, wenn wir das Buch unseres Lebens öffnen! Jede Erzählung verändert das Erlebte minimal. Genau betrachtet sind unsere Erinnerungen modulierte Lebensgeschichten, die wir in der Gegenwart neu erleben. Es gibt also keine alten Geschichten!
Machen wir die Qualität unseres Lebens im Alter von unseren Erinnerungen abhängig? Ich hätte die Beiden fragen sollen!
Franz und Walli sind seit zwei Jahren tot. Franz, ein Ingenieur, ein Boxer in jungen Jahren, ein Segler im reifen Alter und Walli, deren große Freude es war, alle Hunde in der Nachbarschaft mit Hundekeksen zu versorgen, waren zwei Menschen mit zwei Geschichten, die sich in einer verschmolz, weil sie tatsächlich füreinander bestimmt waren!
Beide hatten etwas gemeinsam. Sie gaben alles von Herzen!
Heute fahre ich das Rennrad von Franz. Er hat es sich mit 75 Jahren gekauft, aber kaum benutzt. Franz schenkte mir dieses Rad einige Zeit vor seinem Tod und wünschte mir damit Freude! Ich bin im Urlaub, an der Küste und nun fahre ich dieses Rad, mit Dankbarkeit und Achtung.
Jedes Mal, wenn ich auf das Rad steige, grüße ich Franz. Ich denke daran, dass Franz, so wie ich heute, 45 Jahre war. Mit dem Blick auf das Meer, mit dem Blick in die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft und dem Gedanken, wie sich wohl alle drei Zustände noch zeigen werden!
Erst gerade eben stand ich an der Ostsee und erinnerte mich an Wallis Worte:
»Jetzt im Alter leben wir von den Erinnerungen von früher.«
Fazit: Überlege Dir genau, mit welchem Erleben Du heute Dein Leben fütterst. Du wirst Dich morgen daran erinnern! Aus diesem Grund machen wir im Hier und Jetzt weiter Urlaub und füttern die Gegenwart mit guten Gedanken!
Beste Urlaubsgrüße von
»Mit Hunden leben – Hundeschule.«