Verhalten / Beratung

Dominanz – Die Entschuldigung für alles

Rottweiler - Mit Hunden leben
geschrieben von Carsten Wagner

Dominanz scheint das Wort der Wörter in der Welt der Hundeerziehung zu sein. So universell einsetzbar in der Analyse liefert es für so viele Menschen die Antwort der Antworten. Man kann diesem Wort nur dankbar für seine Existenz sein, vereinfacht es doch so Vieles bezüglich der Betrachtung von Zusammenhängen. Das Motzen, das Ärgern, das Raufen, die Aggressionen, der Ungehorsam, das Flegelverhalten, das Ressourcenverteidigen usw. haben ihren Ursprung demnach einzig und allein in der Dominanz. Das Leben kann so einfach sein, man muss sich nur zu helfen wissen. Und sollten Erklärungen für ein nicht einzuordnendes Verhalten gefunden werden müssen, dann wissen wir ja, wo alles liegt. Im Schrank der Erklärungen – Schublade Dominanz. Man braucht sich also auch keine Sorgen zu machen, dass man später für unerwartetes Zähnezeigen in Erklärungsnot gerät, da die Akte Dominanz gleich mit dem Welpen mitgeliefert wird.

Was hat es denn nun mit der Dominanz auf sich, und können wir denn wirklich alles auf die Dominanz schiebe?. Können tun wir das, natürlich, doch entspricht es weniger den Tatsachen als viel mehr einer Schuldzuweisung, die im Hundewesen schon mal gar nichts zu suchen hat – es sein denn, wir suchen sie bei uns selbst. Das Komplexe wird wieder viel zu vereinfacht dargestellt und verschluckt das Detail. In erster Linie beschreibt Dominanz das Verhältnis einer Beziehung, welches also nur in Verbindung zweier Individuen gelebt werden kann. Dominanz ist also ein Wechselspiel von Aktion und Reaktion zweier Tiere (der Mensch ist hier mit eingeschlossen). Wenn Dominanz demnach in einer Abhängigkeit von Ursache und Wirkung steht, schließe ich eine angeborene Dominanz aus. Den dominanten Hund gibt es also nicht.
Maßgebend für den Grad der Dominanz ist das Verhalten von Tier B, da seine Reaktion – Dulden oder Gegenwehr – den weiteren Verlauf der situativen Beziehung in der gegenwärtigen Situation bestimmt. Auch hier werde ich jetzt nicht auf die einzelnen Dominanzmerkmale eingehen, das würde wieder in einem Roman enden.

Vielmehr geht es darum, zu erklären, dass Dominanzstreben des Hundes gegenüber dem Halter (oder einem anderen Hund) kein angeborenes, unabwendbares Verhalten ist, sondern dass es immer an der mentalen Schwäche des Halters (oder eines anderen Hundes) liegt. Der Hund, der draußen motzt, pöbelt und den Halter immer und immer wieder in Frage stellt, ist ein gesunder und klarer Hund, der sich eben nur seiner eigenen Überlegenheit bewusst ist. Die Unglaubwürdigkeit des Hundehalters hat den Hund auf den Sockel gehoben und nicht die „angeborene“ Dominanz. In diesem Zusammenhang wird allzu oft der Wahrheit entgegen geschrien: “Der war aber schon als Welpe so dominant“. Dann liegt die Wahrheit viel näher als man vermutet. Fakt ist, dass der Welpe eben schon zu diesem Zeitpunkt mental stärker war als der Halter.
Wir müssen uns wie so oft fragen: Bin ich wirklich Rudelführer? Klar, fair, kompromisslos und 100% im Hier und Jetzt, wenn ich mit meinem Hund in Verbindung stehe? Bei einem ehrlichen Ja gehören Sie zu jenen Menschen, die sich um dieses Thema keine Gedanken machen müssen. Alle anderen sollten ihre Beziehung überprüfen und sich gegebenenfalls eingestehen, dass jemand anderes mal wieder die Hosen an hat.

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Carsten Wagner

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