Gedanken eines Trainers

Politische Eigennützigkeit

Bullterrier am schlafen - Mit Hunden leben
geschrieben von Carsten Wagner

Das Leben mit einem Bullterrier ist nicht immer einfach, aber überzeugend. Über den Bullterrier wird so viel geschrieben, zusammengedichtet und, seit die Rasseliste ins Gesetz gestanzt wurde, missverstanden, dass es schon ein Graus ist, diese liebenswerte, charmante Rasse so ins schlechte Licht gerückt zu sehen. Alle gelisteten Hunde, die ohne Sachverstand auf eine Liste gesetzt wurden, die an eine vergangene Zeitepoche erinnert, haben natürlich ebenso mit ihrem Ruf und Ansehen zu kämpfen wie dieser sympathische Engländer.

Genügend Fachleute haben belegt, dass die Rasseliste nicht nur unsinnig ist, sie ist nahezu gefährlich. Sie ist in meinen Augen nicht nur tierschutzrelevant – das oft genug grundlose Einpferchen in den Tierheimzwingern, wo es für viele dieser armen Wesen zu oft die Endstation bedeutet, kann aus humaner Sicht ja wohl kaum zu vertreten sein -, sondern gerade solche haltlosen, irrationalen und willkürlichen Beschlüsse von den dafür verantwortlichen Politikern, die das Versachlichen von Leben geradezu perfekt beherrschen, beschneiden nicht nur das Recht auf Freiheit, sondern fördern geradezu eine unerträgliche Situation vieler unbescholtener Bürger. Jeder, der z.B. einen Bullterrier besitzt, muss besonders starke Nerven haben. Verachtende bohrende Blicke von politisch und medial manipulierten Passanten, deren verzogene Mimik einen selbst das Gruseln lehrt, und das schon fast hysterische Wechseln auf die andere Straßenseite sind der Alltag für Menschen mit gelisteten Hunden. Auch Konfrontationen gehen oft mit Beschimpfungen einher, die nicht selten in Eskalationen münden.

Der Höhepunkt eines Spaziergangs ist dann oft das Antreffen des Ordnungsamtes. Für mich persönlich ist dies immer ein absolutes Erlebnis. Ist es mir an diesem Tag nicht vergönnt, einen qualifizierten, freundlichen und sachlichen Behördenvertreter anzutreffen, geht es schon mal in die richtige Richtung. Dynamik und Trieb. Spätestens dann, wenn mir eine unbeschreibliche Arroganz mein Lächeln nimmt (auch deshalb, weil ich zu dritt eingekreist werde, um mich zu stellen und zu überprüfen, da der Bullterrier schon aus der Ferne blühende Assoziationen hervorruft), ist die Diskussionsrunde eröffnet. Für die Art und Weise, wie ich und meine Daten überprüft werden, bin ich dann sehr selten empfänglich. Substanzlose Einschüchterungsversuche bringen mich manchmal etwas auf Drehzahl. Stellt dann noch die behördliche Arroganz die Frage, was mein Jack Russell Terrier für eine Rasse ist, und vor allem, wie schwer er ist, falle ich aus allen Wolken. Um meinen Bullterrier einzuordnen, holte man ein Buch hervor, blätterte herum und zeigte mir einen American Staffordshire Terrier. Man deutete auf meinen Bullterrier und sagte: „Das ist doch so einer.“. Ich fragte ihn, ob er Probleme hätte, Proportionen und Formen einzuordnen. Ich sagte, dass das Ovale nicht in das Quadratische passt. Danach war es kurz stumm. Natürlich bekam ich noch Gelegenheit, meinen Glauben völlig zu verlieren, als einer, der mich umkreiste, eine schon abgemessene Kette von 40cm am Schlüsselbund tragend, diese so ganz nebenbei im Gespräch an meinen Bully hielt. Diese so plumpe Aktion wurde mit einem doch so niedlichen Satz kommentiert, der mich einfach nur fragend in den Himmel schauen ließ. „Na, willst de spielen?“ Ich konnte die Bemerkung, ob er in der Schulung gefehlt habe, nur sehr mühsam unterdrücken. Natürlich hatte man an den 38,5 cm auch etwas auszusetzen. Ich musste ihm erklären, dass in der Mathematik die Genauigkeit das oberste Prinzip ist. 38,5 sind keine 40. Es war Zeit zu gehen.

Sachverstand verbotenFehlender Sachverstand ist schädlich!

Ich denke, wenn eine Behörde ihre Angestellten losschickt, die im Aufgabengebiet Hund tätig sind, sollten solche Fragen nicht gestellt werden. Vor allem, wenn so penibel auf die Rasseliste gepocht wird, sollten jene Behörden dafür sorgen, dass diese auch peinlichst genau auswendig gelernt wird. Seriosität, Höflichkeit, Menschlichkeit und eine Freude am Hund sollten doch Voraussetzung sein, um mit Mensch-Hund-Gespannen in Verbindung treten zu können. Ich nahm sie jedenfalls nicht mehr ernst. Der Kaffee schmeckte mit einem Lächeln umso besser. Das schon leichte Nötigen finden wir also nicht nur in der Gesellschaft, sondern zu oft auch in den behördlichen Kreisen. Zum Glück ist das geschilderte Erlebnis nicht Regelbestand und doch nicht selten. Hundebesitzer und Kunden berichten mir häufig, dass sie sich durch die Art und Weise der Kontrolle wie ein Verbrecher fühlen, und das kann ich verstehen. Das muss sich ändern.

Ich finde es einfach nur erschreckend, was die politische Eigennützigkeit ihrer Stimmen wegen und die mediale Gewissenlosigkeit in den letzten 14 Jahren angerichtet haben. Denn wäre es keine Eigennützigkeit, könnte man doch den vielen Fachvorträgen wissenschaftlicher Studien mehr Gewichtung schenken, die eindeutig die Gefährlichkeit bestimmter Rassen widerlegen. Das von den Medien so schön gepflegte Klischee des Milieus verwandelt sogar einen friedvollen, älteren Herrn, der einen Bullterrier seinen loyalen Begleiter nennen darf, in Windeseile zu einem gesellschaftlichen Außenseiter. Hier besteht eindeutig Handlungsbedarf von Politik und Behörde.

Es ist geradezu beängstigend, wie sehr sich das Wort „Kampfhund“ durch mediale Meisterleistungen und den verantwortungslosen Verwaltungsapparat von Politik und Behörden in die Köpfe der Menschen gebrannt hat. Noch entsetzlicher finde ich allerdings diesen als gerecht erachteten Rassismus gegenüber einem hochkomplexen sozialen Lebewesen, das sich dem Menschen in mehr als 10 000 Jahren perfekt angepasst hat. Diese bürokratische Versachlichung eines Lebewesens kommt mir bekannt vor. Es ist nicht nur anmaßend, eine Rasse pauschalisiert als unberechenbar und aggressiv einzustufen – besonders wenn diese Thesen wissenschaftlich, mehrfach und unabhängig widerlegt sind -, sondern es ist auch heuchlerisch.

Wie viele Mörder, Sexualstraftäter, Kinderschänder und Totschläger sitzen in der Strafanstalt. Kommt denn nur ein Politiker dazu, sich selbst und den Rest der Menschen als unberechenbar und gefährlich einzustufen? Grund genug hätte man dafür. Aber wohl kaum. Es ist Zeit, der Sachlichkeit und den Tatsachen wieder mehr Aufmerksamkeit zu widmen und die emotionale Seifenblase, die bewusst aufrecht erhalten wird, zu zerstechen.

Dieses illegale Ausrotten von hochkomplexen sozialen Lebensformen, die keinerlei Tötungsabsichten hegen und genetisch bedingt dem Menschen zugetan sind, ist eine Schande.

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Carsten Wagner

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