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Terrier im Gleichgewicht

geschrieben von Carsten Wagner

Das ist ein Terrier, das bekommst du nie hin. Von wegen, es geht doch!

Ich fange am besten damit an, wie alles begann…
Von klein auf war es mein Wunsch einen eigenen Hund in meinem Leben zu haben. Mit Lili – einem ein Jahr alten kniehohen Terriermix aus Rumänien, der nach einer Woche Aufenthalt in Deutschland zu uns nach Hause kam – ging der Herzenswunsch in Erfüllung. Obwohl wir im Vorfeld keinerlei Informationen zu ihrem Verhalten hatten, bekamen wir ein richtiges Schmuckstück. Kein Jaulen, kein bellen, wenn sie allein ist und stubenrein war sie auch bereits. Da haben wir tatsächlich großes Glück gehabt!

Der Reiz verhindert das Beziehen zum Halter!

Sobald es aber zur Tür hinaus ging, war Lili wie ausgewechselt. Die Nase ging sofort in alle Richtungen, zu allem, was interessant gerochen hat, wurde hingezogen. Immer volle Kraft voraus, egal ob die Leine 10m lang oder auf einen Meter kurzgehalten wurde. Die Leine war bis zum Anschlag gespannt, Lili stemmte sich stetig ins Halsband oder ins Geschirr, um dann hechelnd und röchelnd in alle Richtungen zu ziehen, als gäbe es kein Morgen mehr. So extrem, dass sie oft husten musste, wobei selbst das sie in ihrem Trieb nicht regulieren konnte. Hasen, Eichhörnchen, Tauben und Enten waren mehr als heiß begehrt!

Waren wir irgendwo zu Besuch, war Lili der reinste Wirbelwind. Leider oft auch unpassend, wenn man sich mal in Ruhe unterhalten möchte, da sie jeden Menschen mit Teller abklapperte oder bei Animation und dem Ruf ihres Namens so ausgeflippte, dass sie auch zu jedem Fremden rannte, in der Hoffnung für irgendwas belohnt zu werden. Für uns wurde klar, dass es so nicht weitergeht. Bei aller Liebe und allem Verständnis, es zerrte an unseren Nerven und ging schlussendlich sogar so weit, dass wir uns überlegten wo wir wann mit ihr hingehen und ob wir geplante Treffen nicht lieber absagen sollten. Kurz und knapp so konnte man nirgends mit ihr hin!

Jeder Ansatz ist nur so gut, wie man ihn verstanden hat!

Basisarbeit ist das Fundament für den Erfolg.
Basisarbeit ist das Fundament für den Erfolg.

Alle Tipps und Ratschläge, die bei Freunden von Freunden ja soooo toll geklappt haben, wie Ablenken mit Leckerli oder Richtungswechsel beim Laufen etc. haben leider nicht viel geholfen (im Nachhinein zum Glück sonst wäre ich vielleicht nie zu Carsten gekommen). Auch das immer und überall zu hörende Mantra, der Hund muss sich auspowern, viel rennen, mind. 4 Stunden raus, Auslastung etc. haben wir befolgt. Mit dem Ergebnis, dass im besten Fall die Kondition besser wurde, aber von Auslastung und ausgepowert sein keine Spur.

Da das alles nicht genug war, fing sie im Laufe der Zeit auch noch an Artgenossen anzubellen und in extremen Fällen – die nicht selten vorkamen – hinzurennen, so weit die Leine sie ließ und nach ihnen zu schnappen. Dieses Verhalten verstärkte sich dadurch, dass ich sie bei Begegnungen kurzhielt und auch nicht selten mit ihr schimpfte. Bald wurde jeder Hund zum Feind.

Es war klar, das ganze muss vernünftig geklärt werden, sofern es noch möglich ist. Wir hatten keinen “Trick” mehr parat und unser Verständnis vom Umgang mit dem Hund stieß an seine Grenzen. So haben wir unseren Weg zu Carsten gefunden.

Und siehe da, es ist wunderbar! Völlig, aber wirklich völlig anders! Dazu komme ich
jetzt…

Manchmal muss man einfach nur zuhören und beobachten!

Als ich das erste Mal zu Carsten kam schilderte ich ihm alles. Carsten schaute sich sehr genau an, wie sich unsere Lili verhält und wie Lili in Bezug zu mir steht und anders herum, kurzum: wie wir als Gespann funktionieren. Für Carsten war dann klar, wo unsere Reise beginnen wird und wie der Weg aussehen sollte. Ihm war sofort klar, welche Methode am besten für Lili zu verarbeiten und zu verstehen ist und welche Methode ich am besten umsetzen kann. Und tatsächlich, schon nach der allerersten Stunde hat sich sofort eine Verbesserung eingestellt.

Für Lili war direkt klar, dass sie sich immer an mir orientieren und daher an anderen Dingen einfach vorbeiziehen kann. Ich selbst habe bereits nach der ersten Stunde die Situation, mit dem Hund zu kommunizieren, völlig anders wahrgenommen. Ich habe gelernt, dass ich etwas gezeigt bekam, um mit meinem Hund kommunizieren und zwar so, dass meinem Hund im Nachhinein klar ist, was ich von ihm möchte! Auch so einfache Dinge wie Sitz und Platz, haben Lili und ich als Ruheposition erfahren und nicht nur als eine Position, die der Futtereinnahme dient.

Was die Auslastung und das Auspowern angeht, habe ich Lili noch niemals so ausgelastet erlebt, wie nach den Übungen, denn die Kopfarbeit und die Entwicklung des neuen Verhaltens haben Lili so sehr beansprucht, dass sie fast jedes Mal schläft wie ein Stein, sobald wir zuhause sind. Das hat noch keine stundenlange Rumrennerei auf weiten Wiesen geschafft.

Veränderung hat nichts mit Perfektionismus zu tun!

Miniatur Bullterrier im kleinen Gruppentraining
Miniatur Bullterrier im kleinen Gruppentraining

Mit jeder weiteren Stunde und den gezeigten Übungen wurde das Verhalten von Lili immer besser. Auch in stressigen Situationen hat sie gelernt sich bei mir einzufinden und alles von meiner Seite aus zu beobachten. Sie ist so viel sicherer geworden in allen Lagen, die zuvor undenkbar gewesen sind. Dank den richtigen Übungen, die alle wie eine Symbiose miteinander verbunden funktionieren, ist es ein tolles Miteinander geworden. Es ist wunderschön und auch klar zu sehen und zu erkennen, dass Lili ihre Welt neu kennenlernt. All die Dinge, die sie zuvor aus der Bahn warfen, haben sich neu verknüpft, wodurch sie sie viel angenehmer erfährt. Sie nimmt noch immer genauso viel wahr, wie zuvor, aber sie hat eine deutlich ruhigere Ausstrahlung und kann mittlerweile ohne Leine neben mir herlaufen, ohne auszuscheren, weil sie etwas gehört oder gerochen hat. Sie verarbeitet alles, während sie neben mir herläuft.

Was sich auch ganz klar geändert hat, bin ich selbst und das war, finde ich, der größte Lernprozess. Das, was Carsten mir mit seiner unendlichen Geduld und seinem tollen Beistand immer versucht hat nahezubringen: nicht einfach blind auf die Methode zu setzen und sie stupide auszuführen, als wäre es eine mathematische Formel – wie beispielsweise, wenn ich dieses und jenes ausführe, muss ja schließlich das gewünschte Ergebnis von meinem Hund gezeigt werden. Die Erfolge, die auch langfristig noch zu spüren sind, haben sich erst eingestellt, nachdem ich, nach einer ganzen Weile des Übens und Strebens nach Perfektion, verstanden hatte, was es bedeutet frei zu handeln. Die Übungen und die gezeigten Methoden auszuführen, ohne die eigene Emotion hineinfließen zu lassen, alles mit einer Natürlichkeit zu machen, so dass es fast schon nebenbei geschieht, abseits von Kontrolle. Das alles hat dazu geführt, dass mein Hund sich neben mir und mit mir frei fühlen kann, um seine neu erlernte Welt unbefangen erleben zu können.

Stadttraining mit Jagdterrier
Stadttraining mit Jagdterrier

Der Prozess hat eine Weile gedauert, weil ich die Übung mit der Emotion „Weg da, lass das sein, jetzt hör endlich auf mit dem Mist“ etc. ausgeübt habe, was mein Hund natürlich immer gespürt hat. Irgendwann habe ich mich immer öfter dabei ertappt, fast jeden Schritt von Lili zu kontrollieren, immer auf der Suche nach der Situation, in der ich eine Methode anwenden konnte. Das hat sie total gemerkt und lief automatisch viel angespannter neben mir. Wenn ich dann eine Aktion gesetzt habe, wurde sie sogar unsicher, ob sie sich zu mir wenden soll oder lieber nicht, da der Druck durch mein emotionales Einbringen viel zu groß für sie war. Erst als ich gemerkt habe, wie sensibel sie ist und dass sie erstmal ein paar Sekunden Zeit und auch manchmal 2-3 m Bewegungsfreiheit haben muss, um die Situation für sich selbst unter Kontrolle zu bringen, wurde es wieder deutlich besser und vor allem freier und natürlicher.

Wer die Natur seines Hundes nicht akzeptiert, wird ewig kämpfen!

Ich musste lernen, dass Lili der Hund ist, der sie von Natur aus ist und dass das nicht verändert werden darf sondern, viel besser sogar, es erkannt und akzeptiert werden sollte. Situationen, die vorher stagnierten, haben sich plötzlich gelöst und werden jetzt durch die Freiheit, die ich ihr gebe und mein neu errungenes Verständnis über das situativ individuelle Einfühlungsvermögen, besser und natürlich.

Alles in allem bin ich froh, dass es so war, denn die Erkenntnis darüber, eine Unterstützung für meinen Hund zu sein, statt eine weitere Belastung in Situationen, die eh schon spannend genug sind, möchte ich nicht mehr missen. Genauso wie das Erleben, wie sich etwas positiv ändert, wenn man emotional kompetent handelt hat und es zu Gelassenheit führt – sowohl bei mir als auch beim Hund. Ich habe erfahren, dass es sehr wichtig ist, die Methoden und Übungen so anzuwenden, dass man seinen Hund mit dem was man tut unterstützend aus problematischen Situationen herausholt. Man darf sich mit seinem Tun nicht innerlich gegen den Hund und sein Verhalten richten, nur weil man blöd findet, was er gerade macht.

Was ich auch gerne getan habe war, ein Verhalten im Vorfeld zu verhindern, obwohl eigentlich noch gar nichts passiert ist. Ich war eben immer auf der Lauer nach dem nächsten Fehler, weil ich ein Bild vor Augen hatte wie es sein soll, aber nicht erkannt habe, dass Lili eben Lili ist und dadurch dem Bild gar nicht entsprechen kann. Dinge geschehen zu lassen und sogenannte Fehler zuzugestehen, waren für mich und meinen Umgang mit Lili wichtig, um zu zeigen, dass es eine Möglichkeit gibt alles in Ruhe zu erleben und zu verarbeiten.

Heute ist es endlich so wie oben schon erwähnt: einfach völlig anders, einfach schön. All das von Carsten gezeigte und dann von mir erlebte – aber leider erst viel später verstandene – waren notwendig, dass es so funktioniert wie es jetzt funktioniert. Wenn wir Lili jetzt mit zu Besuch nehmen, breiten wir ihre Decke aus und sie legt sich automatisch drauf, ohne das was gesagt wurde. Sie fängt an sich zu beruhigen, obwohl am Esstisch viel passiert. Ganz klar müssen einige Dinge noch weiter ausgearbeitet werden und neue Dinge kommen hoffentlich später auch noch dazu, denn das neue Miteinander macht wirklich viel Spaß. Vielen Dank, lieber Carsten!

LG Tobi

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Carsten Wagner

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